Serviceaußendienst: Die Kompetenz vor Ort | Lorenz-Seminare

Im Internet kann man so ziemlich alles ordern. Googeln, finden, bestellen, liefern lassen. Die digitale Transformation bietet eine allumfassende 24/7-Welt. Alles, überall, jederzeit. Tatsächlich ist der Anteil am Online-Geschäft auch im B2B-Handel stark gewachsen. Dennoch setzen erfolgreiche Handelsunternehmen und auch Hersteller auf eine flächendeckende Betreuung vor Ort durch Außendienstmitarbeiter. Den Kunden werden zunehmend beide Möglichkeiten angeboten, ihren Warenbedarf zu decken. Welche besonderen Chancen beinhalten persönliche Besuche vor Ort und welche Kompetenzen sind dafür erforderlich?

B2B-Online

Der Anteil am Online-Geschäft im B2B-Bereich wächst nach wie vor. Eine Umfrage von ibi research (Uni Regensburg) aus 2017 zeigt, daß die überwiegende Mehrheit der Unternehmenseinkäufer die Möglichkeiten von Onlinebestellungen bereits nutzen und weiter ausbauen werden. Dabei gibt es durchaus Branchenunterschiede. Besonders bei Konsumgütern, sowie bei Artikeln der Metall- und Elektroindustrie ist der Anteil überdurchschnittlich hoch.
Bei zahlreichen Produkten ist gleichzeitig der Informations- und Beratungsbedarf vor-, während- und nach einem Bestellvorgang hoch. Einiges davon, vor allem die rein technischen, deskriptiven Aspekte und Eigenschaften von Produkten, bilden intelligente Online-Shops und Bestellsysteme ab. Hier „beraten“ auch digitale Systeme den Kunden, stellen Datenblätter und Vergleiche zur Verfügung, unterbreiten Alternativen und Kaufvorschläge.
Doch können Informationssysteme auch den späteren Einsatz dieser Produkte abschätzen und darstellen? Können Sie für den Kunden Einsatzlösungen entwickeln und neue, bessere Möglichkeiten präsentieren? Verstehen Sie das Geschäftsmodell der Kunden, Mehrwerte und Marktchancen, für die gearbeitet wird? Wenn es beispielsweise um den Einsatz von Werkzeugen in der Produktion, der Montage oder einer Baustelle geht – wie gut können digitale Informationssysteme die Fähigkeiten der Mitarbeiter einschätzen, die dort mit diesen, zu beschaffenden Werkzeugen hantieren und sie gebrauchen sollen? Vieles lässt sich online erledigen, aber nicht alles. Hier sind die besonderen, typischen Fähigkeiten von Menschen gefragt. Technisches und kaufmännisches Wissen wird ergänzt durch kreatives, vorausschauendes Denken, Intuition, aber beispielsweise auch eine strukturierte Gesprächsführung, Empathie und Motivation.

Rollenverteilung Verkauf und Service

Vor Ort können schnell und direkt offene Punkte aufgenommen und geklärt werden; Verkaufs- und Servicemitarbeiter mit Beratungskompetenz stellen nicht nur die Eigenschaften von Produkten und Services dar, sie zeigen vor allem auch sinnvolle Entscheidungsalternativen, mögliche Verwendungsmöglichen und den daraus resultierenden, vielleicht besonderen Mehrwert für den Kunden auf. Gut ausgebildete und erfahrene Berater unterstützen den Kunden darüber hinaus bei der Optimierung seiner Bestellprozesse insgesamt. Das bringt oft eine Reduzierung der Bestellkosten, sowie auch eine Prozessvereinfachung, -beschleunigung oder auch ein gutes Verhältnis von Verfügbarkeiten und Lagergrößen bzw. der damit verbundenen Kapitalbindung.
Drei Fragen an Toni Heckenberger, Vice President Sales, Hoffmann Qualitätswerkzeuge GmbH, München
Man kann heute fast alles im Internet kaufen – auch im B2B-Geschäft. Warum setzen Ihre Kunden auf den Besuch eines Außendienstlers vor Ort?
TH: Auch heute noch gilt: Menschen kaufen bei Menschen, und zwar bei solchen, die sie mögen.
Bei der HOG* begleitet den Verkäufer oft ein themenbezogener Fachberater. Das ist aufwändig und kostet. Warum leisten Sie sich das?
TH: In unserem Katalogsortiment sind über 80.000 Produkten gelistet. Die Komplexität des Gesamtangebots und auch die vieler Produkte erfordern eine Fachberatung. Darüber hinaus begleiten unsere Außendienstler auch bei der Vereinfachung der Bestellprozesse, steigern so die Effizienz und helfen, Kosten einzusparen. Das geht kaum online. Dazu braucht es die Präsenz und das Gespräch vor Ort.
Was erwarten Kunden heute von einem guten Servicetechniker/ Anwendungsberater im Außendienst und wie bauen Sie diese Kompetenzen auf?
TH: Unsere Kunden erwarten eine herstellerunabhängige, möglichst objektive Beratung auf der Basis fundierter technischer, zunehmend auch betriebswirtschaftlicher Kenntnisse. Produktkenntnisse sind gefragt, aber vor allem auch Erfahrung über deren Einsatz im Produktionsprozess, sowie das Wissen um alternative, manchmal auch bessere oder modernere Lösungen.
Wir schauen schon im Einstellungsprozess neuer Mitarbeiter nach deren Grundausbildung. Fast alle unsere Außendienstler verfügen über eine solide technische Ausbildung. Danach durchlaufen sie bei uns eine mehrmonatige, sehr intensive Einarbeitung in allen Innenvertriebsabteilungen. Alle Mitarbeiter in Vertrieb, Beratung und Service werden danach regelmäßig und systematisch in ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten, fachlich wie persönlich „up-to-date“ gehalten. Das Prinzip des lebenslangen Lernens ist bei uns einer der wichtigsten Erfolgsgaranten.
*HOG = Hoffmann Group

Kompetenz vor ort

Individuelle Mehrwertbetrachtungen, der Anschub zukunftsorientierter Entwicklungen und ganzheitliche Optimierungsansätze sind wichtige Faktoren, die den persönlichen Austausch mit Verkäufern, Kundenberatern und Servicemitarbeiter so wertvoll macht. Digitale Informations- und Bestellsysteme können diese Art von Leistungen nicht und auch nicht auf absehbare Zeit erbringen. Das persönliche Gespräch beinhaltet ein kreatives, oft intuitives Element, welches von keinem existierenden System heute erzielt wird. Oft wird in diesem Zusammenhang viel Erwartung an Systeme aus dem Bereich KI (Künstliche Intelligenz) gestellt. Doch hier sind einerseits etwas mehr Nüchternheit und andererseits mehr Respekt vor typisch menschlichen Fähigkeiten angesagt. Maschinen können technisch durchaus dazu lernen. Weitblick, Intuition, Empathie und das daraus resultierende kreative Element fehlt ihnen. Ein Mensch – pardon – ein Mitarbeiter mit Ausbildung, etwas Erfahrung, Motivation und eben dieser Portion Gespür ist da nicht ersetzbar.

Von nichts kommt nichts

Der Binnenmarkt sowie große Teile der internationalen Wirtschaft boomen. Der Markt für qualifizierte Arbeitskräfte ist leergefegt. Kandidaten, die der Leistungserwartung an beratungsfähige Servicemitarbeiter oder Anwendungsberater entsprechen, sind kaum verfügbar und wenn, dann allenfalls in Zuzugstädten, wie München, Stuttgart oder Berlin. ´“Was tun?“, stellt sich die spannende Frage den Unternehmen, die auf überdurchschnittliches Wachstum setzen? Bei diesen Rahmenbedingungen fahren vor allem die Unternehmen gut, die über eine funktionierende Personalentwicklung verfügen. Diese können ihre Außendienststrukturen selbst qualifizieren und in die Leistungsprofile führen, die sie für ihre Ziele benötigen. Der Qualifizierungsprozess betrifft vorhandene Mitarbeiter ebenso, wie neue. Die Eignungsprofile gerade bei Servicemitarbeitern und Anwendungsberatern verändern sich gravierend, ihr Tätigkeitsfeld ist sichtlich breiter geworden. Bereits im Personalmarketing und bei den Einstellungsgesprächen spielen Aspekte eine Rolle, die früher gerade bei Technikern oft als nebensächlich betrachtet wurden. Allen voran sind das bestimmte soziale Kompetenzen. Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, der klare Wille zu kundenorientiertem Verhalten, aber auch vernetztes, durchaus auch betriebswirtschaftliches Denken „über den Rand hinaus“ sind wichtig.
Zur Entwicklung dieser Soll-Leistungsmerkmale ist eine systematische Qualifizierung angesagt, nichts von der Stange aus dem Katalog, kein Training per Gießkannenprinzip und auch keine Hau-Ruck-Maßnahmen aus Eile heraus. Je stärker sich die Trainingsangebote an der Zielqualifikation orientieren und je mehr sie für die Zielgruppen individualisiert werde, desto schneller und nachhaltiger stellt sich Erfolg ein.

Fazit und Ausblick

In einigen Branchen sind gerade die Leistungen und die Qualität dieser Berater die wesentlichen Gründe für B2B-Kunden, eben doch die Kaufentscheidungen auf der Basis persönlicher Gespräche zu treffen und sich nicht nur mit einem digitalen Informationspartner zu begnügen.
Online-Bestellsysteme und persönliche Kaufberatung mit Service-/Beratungsqualität vor Ort sind Angebote des Handels und der Hersteller, die in Kombination gefragt sind und nicht „Entweder-oder“. Sie sind nicht Wettbewerber, sondern sich gegenseitig in ihren Stärken ergänzend. Daher sollte diese Thematik, aus meiner Sicht, auch nicht philosophisch oder gar „religiös“ diskutiert werden. Hier sind pragmatische Lösungen gefragt. Lösungen, die sich am höchstmöglichen Nutzen für den Kunden orientieren und nichts sonst. Wer das rechtzeitig versteht und umsetzt, wird in diesem Veränderungsprozess die Nase vorne haben.
von Karl Heinz A. Lorenz, Trainer bei Lorenz-Seminare